… wo Licht ist …

von Brigitta Höpler
zur Ausstellung am 10. Mai 2011
Die Eröffnung der Ausstellung „Spieglein“ habe ich mit einem Gedanken von Luigi Pirandello aus dem Theaterstück „Die Riesen vom Berge“ beendet, diesen Faden möchte ich gerne wieder aufgreifen und die Ausstellung „wo Licht ist“ damit beginnen:

„Der Tag blendet, die Nacht gehört den Träumen,
man sieht nur in der Dämmerung gut,
in der Abenddämmerung in die Vergangenheit,
in der Morgendämmerung in die Zukunft.“

Die Dämmerung lässt scharfe Konturen verschwimmen, Umrisslinien lösen sich auf.  Die Dinge formen sich durch Abstufungen von Farbtönen. Die Dunkelheit löst letztendlich alle Formen und Erscheinungen auf, bis sie durch das zunehmende Licht der Morgendämmerung langsam wieder sichtbar werden. Die Dämmerung zeigt uns, wie Form entsteht und das ist auch eine der wesentlichen Fragen, die Kurt immer wieder in seinen Arbeiten beschäftigen.

 

„wo Licht ist“, wo das Licht sich bricht, entsteht die Form. Das Licht formt die Erscheinungen, lässt sie dreidimensional werden. In vielen Objekten von Kurt existieren die Körper als Negativform nur mehr als Licht, im Unterschied zu seinen früheren Arbeiten, die mehr von der Fotografie bestimmt waren. Es ist faszinierend, wie das transparente, honiggelbe Kunstharz Licht aufnimmt und zu leuchten scheint, auch wenn das Objekt, wie der Kopf des Heiligen Antonius halb verschlossen in einer in einem Gehäuse aus Holz liegt. In wieder anderen Arbeiten wird das Kunstharz dunkel eingefärbt, erinnert an tiefes Wasser und wird durch eine aktive Lichtquelle von unten beleuchtet.

 

In den Objekten kommt es zu einem ständigen Spiel zwischen Abwesenheit und Anwesenheit, zwischen körperlicher Präsenz und einer gewissen „Entkörperung“, zwischen Fließen und Erstarren – nicht nur durch das Material Kunstharz. „zwischen“ – auch so ein Begriff, der immer wieder zu Kurts Arbeiten auftaucht. Meinen ersten Text zu Kurts Arbeiten nannte ich „im Zwischensein“.

 

So wie die Fotos und die Figuren im Kunstharz in Schwebe sind, sind auch die Bedeutungen nicht festgelegt. Sie entstehen durch den Betrachter, die Betrachterin und den jeweiligen Standort, den jeweiligen Blick, mit allen enthaltenen Bildern, Erinnerungen, Assoziationen.

 

Es ist mir zwar eine große Freude, diese Ausstellung zu eröffnen, und die Arbeiten von Kurt mit Worten zu umspielen, aber in Wahrheit brauchen diese Objekte keine Worte. Sie sind auch ohne großartige Erläuterungen für den Betrachter, für die Betrachterin erlebbar. Sie sind einfach da. Eine besondere Qualität liegt für mich im sprechenden Schweigen, in klingender Stille, in ihrer beinahe magischen Ambivalenz.

 

Die Objekte beziehen uns auf subtile Art und Weise mit ein. Wir sind immer wieder aufgefordert, in ein Bassin, ein einen Kunstharzquader, in eine Holzgehäuse hineinzuschauen, mit unserem Blick einzutauchen, näher zu kommen,  uns überraschen zu lassen, plötzlich unser eigenes Bild im Spiegel zu entdecken, durch ein ausgeschnittenes Loch zu schauen.

 

Wir sind eingeladen, mit unseren Blicken zu spielen, sie zu weiten. Die Objekte geben dem Betrachter viel Raum, – Erinnerungsraum, Spielraum, Zwischenraum.