von Florian Steininger
Der Bildbegriff im alltäglichen Kontext basiert primär auf Information und Erlebnis:
Die gemeinen Bildträger dafür sind im Büro der Computerbildschirm, in der U-Bahn der Infoscreen, am Abend in der Wohnung das Breitband-TV-Gerät (der „moderne Flügelaltar“), oder im Cineplex die Kinoleinwand.
Sehen wir uns etwa Sportübertragungen via Fernsehen an, dann beruhigt uns das Eurosport-LIVE-Zeichen in der rechten oberen Bildschirmecke, denn wir sind Teil des Geschehens im Hier und Jetzt. LIVE dabei, hautnah am Geschehen, mitten drin.
Das Bild als beruhigendes, meditatives Medium, sozusagen als „modernes Andachtsbild“, ist außerhalb des kirchlich spirituellen Bereichs nur selten anzutreffen. Dafür steuert jedoch die moderne und zeitgenössische Kunst zahlreiche essenzielle Beiträge bei. Etwa die abstrakten Farbfeldmalereien in der Tradition von Mark Rothko lösen diese Qualitäten ein, verhelfen dem Betrachter zur reinen Anschauung.
Auch in der figurativen Kunst sind Beispiele dafür zu finden:
Kurt Strznicky ist ein Künstler, der die stille Andacht, das Gedenken in den Mittelpunkt seinens Werks stellt. Anstell des Hier und Jetzt – Vergangenheit. Straznicky hat 2000/01 ovalförmige Grabbildchen mit gefallenen Soldaten des Zweiten Weltkriegs oder „Großmutterporträts“ in Kunstharz eingegossen. Das Harz vermittelt eine konservierende Qualtität in doppelter Hinsicht, sowohl materiell als auch gedanklich. Er nennt sie Nachbilder, die in unseren Gedanken weiter existieren sollen. Zu seinen aktuellen Arbeiten zählen etwa die Schifahrerbilder. Abgebildet sind anonyme Schifahrerinnen aus den 1930er Jahren. Unter ihnen befinden sich unbeschriftet Tafeln, ähnlich einer Grabplatte oder einem Kenotaph. Sie sind – metaphorisch betrachtet – Statthalter der Vergessenen. In beiden Fällen, wenn auch wir die Personen nicht persönlich kennen, weist uns der Künstler dezidiert auf das Memento mori hin, und erinnert uns daran, über unserer Vergänglichkeit und unser Entschwinden von der Welt und aus dem Gedächtnis der Menschen zu reflektieren. Elisabeth von Samsonow umschreibt dieses künstlerische Verfahren mit dem Inhalt des Gedenkens folgendermaßen: „Die Ars memoriae ist die Inszenierung des Gedächtnisses oder, mit anderen Worten, eine mit allen Merkmalen des Theatralischen ausgestattet Renaissance-Kunst – da ja das Gedächtnis niemals unproblematischer Gegenstand der philosophischen Selbstreflexion oder Selbstdarstellung werden kann, sondern nur Metaphern illustriert und durch Bilder stimuliert.“
Diesen stillen zur Andacht gemahnenden Bildern und Objekten steht eine Arbeit des Künstlers entgegen, die ein wenig den Voyerismus thematisiert. Straznicky hat ein tischähnliches Objekt konstruiert, in dessen Hohlraum kleine Kammern eingebaut sind, die durch Gucklöcher sichtbar sind. Der voyeristische Blick erhascht intime Zeichnungen aus Kindererziehungsbüchern der 1960er Jahre, wodurch sich eine leicht groteske Stimmung ergibt.
Manchmal ist sein „Erinnerungs-Begriff“ an verspielt impressionistische Sujets gebunden. Eisläufer am gefrorenem See oder Badende: geradezu nostalgisch romantische Impressionen einer konfliktfreien Welt.
Kurt Straznickys künstlerisches Werk zeigt auch Arbeiten, die mehr auf formale Kriterien von Bild und Skulptur angelegt sind. Der Künstler, der bei Franz Xaver Ölzant Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste, Wien studiert hat, hat sich vor etwa zehn Jahren erstmals dem Werkmaterial Kunstharz gewidmet, dem er bis heute treu geblieben ist. Dieser semitransparente Stoff ermäglicht Volumen und Raum anstelle der Masse, wie atwa bei Gips oder Bronze, in die Arbeit mit einzubezihen. Sofüllt er den Raum des Stuhls unterhalb der Sitzfläche mit Kunstharz aus und bewirkt dadurch eine Gleichwertigkeit zwischen Material des Stuhls und Volumen der hinzugefügten bernsteinfarbigen Masse. Klassisch anmutende Gipsköpfe hüllt etwa Strznicky in das Gel des Harzes ein und erhält in Folge ein immaterielles Negativ des menschlichen Antlitzes – sozusagen einen Schatten, eine Erinnerung an das Individuum.